Samsom triumphiert als Newcomer in Rekordzeit auf dem Rennsteig

Ein Erfolg, der viele Väter hat

(20.05.2017) 10.000 m, Sömmerda, 17.05.2015: 38:54,21min – das war während des 32. Internationalen Läuferzehnkampf die erste  Eintragung in einem Wettkampfprotokoll von Samsom Tesfaghi Hayalu aus Eritrea. Er, der vor den politischen Verhältnisse aus seinem Heimatland geflüchtet ist, konnte fast auf den Tag genau zwei Jahre später seinen größten sportlichen Erfolg erlaufen: In der Streckenbestzeit von 1:09:49 h gewann der Sportler, der seit Juli 2015 für den SV Sömmerda e.V. startet, den Halbmarathon beim 46. GuthsMuths-Rennsteiglauf. Als am 17. Mai in der TA kundgetan wurde, dass Tesfaghi nicht auf zwei seiner potentiellen Konkurrenten treffen würde, stiegen die stillen Erwartungen auf eine Top-Drei-Platzierung. Die beiden Marcels (Krieghoff und Bräutigam/ beide GuthsMuths Rennsteiglaufverein) hatten andere Pläne/Probleme. Krieghoff, mit dem sich Samsom bei einigen Läufen der letzten 2 Jahre ein „Sträußchen“ geliefert hatte, wollte seinen Titel vom Vorjahr über die längere Marathonstrecke verteidigen. Bräutigam, mit dem er von Dezember bis März eine erfolgreich zu werdende Trainingsgemeinschaft hatte, konnte wegen gesundheitlicher Probleme seinen Titel im Halbmarathon nicht verteidigen.


(v.l.n.r. Steffen Justus, Samsom und Tom Thurley)

Mit diesem überraschenden Triumph trat der schlanke Eritreer in die (nicht zu großen) Fußstapfen seines Vereinskollegen Stefan Hubert, der in 2010 und 2008 die Ziellinie als Sieger überqueren konnte und auf Bestzeit von 1:10:17 h (2010) verweisen kann. Im Jahr des zweiten Erfolges des Wahlschweizers Hubert, wurde der Jenenser Steffen Justus Vizeweltmeister im Triathlon auf der Olympischen Distanz. Am Sonnabend wurde er in 1:11:12 h als Zweiter klar von dem Sömmerdaer Tesfaghi, der sich schon zur Mitte des Rennens von seinem Begleiter absetzen konnte, beherrscht.

Zwei kleine Beispiele können belegen, welch ein „Läuferischer Rohdiamant“ Samsom trotz seines Erfolges ist. Nach wie vor, abgesehen von der kurzen Trainingsgemeinschaft mit Marcel Bräutigam, trainiert er ohne zielorientierten Trainingsplan. Und auch eine „Leistungsdiagnostik“ (Pulsuhr mit deren vielfältigen Leistungsdaten), die heutzutage schon bei vielen jungen Läufern zur Standartausrüstung gehört, ist für ihn in den Bereich der Utopie angesiedelt. Samsom ist ein Gefühlsläufer, der scheinbar eine innere Uhr hat, auf die er voll vertrauen kann. Die vielen Streckenbestleistungen, die er ohne Konkurrenz erlaufen hat, sind beredtes Zeugnis für diese, seine, mentale Stärke.

Der 23-jährigeTesfaghi, der mit ca. 15 Landsleuten seit Herbst 2014 in Sömmeda lebt, trainiert nach seinem kurzem Abstecher beim Läuferzehnkampf gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Freund Measho Gebremeskel beim SV Sömmerda e.V.. Schon zu der Zeit zeigte sich, dass sie sich (und auch andere in Sömmerda beheimatete Flüchtlinge, die sich oft leider nur kurzzeitig in der Leichtathletik „ausprobierten“) auf mannigfaltige Hilfe in ihrem Umfeld verlassen konnten. Waren es anfänglich vor allem Sachspenden (Trainingskleidung, Laufschuhe) und Geldspenden (hier zu nennen Familien Sachse und Schinkel), bildeten sich schnell Trainings- und Laufgruppen außenhalb der normalen Trainingszeiten (siehe auch oben). Und die Beiden dankten es mit guten Leistungen – es gibt nur wenige Laufstrecken in Thüringen, auf denen Samsom unterwegs war, auf denen er noch nicht Streckenrekordler ist. 2015 und 2016 konnten sie sich Medaillen bei Landesmeisterschaften (Straßenlauf, Cross, 10.000 m) sichern. Da der Thüringer Leichtathletikverband ab 2017 Ausländer von Landesmeisterschaften ausschließt, können sie nicht bei der kurzfristig nach Sömmerda verlegten Landesmeisterschaft am 17. Juni um Titel mitkämpfen.

Zu den Garanten des gegenwärtigen Erfolges sind „Mittel zur Förderung zur Integration in Sportvereine“, die der Landessportbund über den Kreissportbund an den Heimatverein SV Sömmerda e.V. ausgereicht hat, zu nennen. Auch eine Unterstützung durch Frank Lehmann (Laufladen Erfurt) bedeutet ein mehr oder weniger großes Mosaiksteinchen, auch aller hier nicht genannten, in die bisherige kurze Erfolgsgeschichte. Wenn dieser Wille zur Hilfe so weitergeht, darf man auf die sportliche, aber auch berufliche Entwicklung (seit April diesen Jahres hat er Arbeit in einem Sömmerdaer Metallbauunternehmen gefunden) des jungen Mannes aus Eritrea gespannt sein.

Zum nächsten Showdown könnte es schon am 18. Juni beim 17. Kirschlauf in Kleinfahner kommen. Wenn die Gewinner vom Rennsteig Krieghoff (Marathon) und Tesfaghi (Halbmarathon) gegeneinander antreten sollten, dann will der eine (Krieghoff) seinen zehnten Sieg einfahren, während der andere (Tesfaghi) seinen Streckenrekord aus dem Vorjahr nochmals verbessern möchte. Nicht nur für den Veranstalter eine interessante Konstellation.

Doch nicht nur Samsom war am 20.05.2017 aus Sömmerda zum Rennsteig gereist. Lea Schleicher und Lucas Thiel nahmen am Juniorcross AK 13 (4,2 km) teil. Lea erreichte den 3. und Lucas den 22. Platz. Damit haben auch die jüngeren Sömmerdaer wieder einmal sehr erfolgreich abgeschnitten. Hoffentlich kommen im nächsten Jahr ein paar mehr Sportler aus Sömmerda mit nach Schmiedefeld.

siehe auch:

http://laufszene-thueringen.de/berichte/2017/grosse-rennsteiglauf-vorschau-1-halbmarathon-3

http://laufszene-thueringen.de/berichte/2017/rennsteig-halbmarathon-neue-sieger-enttaeuschte-favoriten-und-ein-streckenrekord#more-28369

http://laufszene-thueringen.de/interviews/2017/rennsteiglauf-die-gesamtsieger-im-interview-4